Dr. Silvia Körntgen ist (Fahrrad-)Verkehrsplanerin. Sie auditiert im Auftrag des ADFC Unternehmen, die sich um das Zertifikat „Fahrradfreundlicher Arbeitgeber“ bewerben. Inzwischen existieren unter dem Dach des Europäischen Radfahrverbands (ECF) vergleichbare Initiativen in 13 weiteren europäischen Staaten. Das Programm wird von der Europäischen Kommission gefördert.
Silvia Körntgen hat als ADFC-Auditorin auch JobRad® als „Fahrradfreundlichen Arbeitgeber“ mit dem Gold-Zertifikat ausgezeichnet.
Wie überzeugen Sie Arbeitgeber, sich für das Zertifikat „Fahrradfreundlicher Arbeitgeber“ zu bewerben?
Die meisten müssen wir gar nicht überzeugen. Sie kommen von allein auf uns zu. Aber wenn mich ein Arbeitgeber oder eine Arbeitgeberin fragen würde: „Warum Fahrradförderung“? Dann würde ich antworten: Sie gewinnen und binden als „Fahrradfreundlicher Arbeitgeber“ Arbeitskräfte. Außerdem belegen Sie mit dem ADFC-Zertifikat, dass sie sich für die Gesundheit der Beschäftigten einsetzen und die Umwelt schützen.
Was habe ich als Angestellte von einem „Fahrradfreundlichen Arbeitgeber“?
Vor zwanzig Jahren haben Bewerberinnen und Bewerber noch gefragt: Welchen Dienstwagen bekomme ich? Heute wollen sie wissen, ob der Arbeitgeber Dienstradleasing anbietet. Ebenfalls entscheidend ist, welche Maßnahmen zur Gesundheitsförderung es sonst noch gibt und für welche Werte das Unternehmen einsteht. Bei einem „Fahrradfreundlichen Arbeitgeber“ wissen Angestellte, dass sie nicht nur von der Fahrradinfrastruktur im Unternehmen profitieren, sondern sie haben auch die Gewissheit, dass die Fahrradkultur dort ganzheitlich gefördert wird.
Wie gehe ich als Unternehmerin vor, wenn ich für meine Firma das Siegel „Fahrradfreundlicher Arbeitgeber“ bekommen möchte?
Es ist hilfreich, zunächst die kostenlose Selbstevaluierung auf www.fahrradfreundlicher-arbeitgeber.de durchzuführen. So finden Sie heraus, ob Sie bereits genügend Kriterien erfüllen, um „fahrradfreundlich“ zu sein. Es geht bei der Zertifizierung nicht nur darum, dass ein Unternehmen zum Beispiel überdachte Fahrradabstellanlagen bietet, sondern um Aktivitäten in verschiedenen Handlungsfeldern. Auch Themen wie „Informationen und Services für Radfahrende“ sowie die Benennung einer Person, die sich um die Mobilitätskoordination kümmert, spielen dabei eine Rolle.
Wie geht es dann weiter mit der Zertifizierung?
Sie können nun Ihre Selbstevaluierung einreichen und erhalten ein schriftliches Angebot, was das Audit Ihr Unternehmen kosten würde. Das hängt beispielsweise von der Anzahl der Beschäftigten ab. Die Kosten können Sie auf der Internetseite einsehen. Wenn Sie als Unternehmerin das Angebot annehmen, komme ich, eine Kollegin oder ein Kollege ins Spiel.
Was ist Ihre Aufgabe als Auditorin?
Ich schaue mir das Firmengelände entweder persönlich an oder führe ein Video-Audit durch. Dabei beurteile ich die Radinfrastruktur und lasse mir die Fahrradfreundlichkeit in den anderen Aktionsfeldern belegen. Im Anschluss schreibe ich einen Bericht mit der erreichten Punktzahl. Daraus geht hervor, ob das Unternehmen als „Fahrradfreundlicher Arbeitgeber“ in Gold, Silber oder Bronze zertifiziert wird.
Wenn Sie einen Wunsch bei der Fahrrad-Fee freihätten. Was würden Sie sich wünschen?
Es wäre mein größter Wunsch, dass wir zu mehr Miteinander, zu mehr gegenseitigem Verständnis im Verkehr kommen. Ich erlebe tagtäglich aggressive Menschen auf der Straße – zu Fuß, auf dem Fahrrad und im Auto. Mein Traum wäre, dass wir mehr aufeinander achtgeben und nicht immer auf unser Recht pochen – egal, wie und mit welchem Verkehrsmittel wir gerade unterwegs sind.
Wie viele Räder stehen bei Ihnen vor der Haustür bzw. in der Garage?
Sechs. Drei davon sind überwiegend mir zugeordnet. Ich habe ein Tourenrad, ein Touren-Pedelec und ein Falt-Pedelec. Das nehme ich mit auf meine Dienstreisen.
Haben Sie eine Lieblingsfahrradstadt?
Ich komme viel in Deutschland herum und sehe in den Städten (und auch auf dem Land) viele positive Veränderungen für den Radverkehr. Im letzten Jahr war ich eine Woche in Paris im Urlaub und war total überrascht, wie gut man dort radeln kann. Paris war ja lange ein Albtraum für Radlerinnen und Radler. Das ist inzwischen anders: Man kann dort super mit den Vélib-Verleihrädern herumfahren. Wir sind zum Beispiel unter dem Arc de Triomphe durchgeradelt, unbehelligt vom Autoverkehr, denn in Paris wurden mehrere ehemalige Autotunnels für Kraftfahrzeuge gesperrt.